Turbinen, Blumen und Après Ski – Campen auf der Caravan Salon in Düsseldorf
Nordholz bei Cuxhaven und Düsseldorf haben eigentlich nichts gemeinsam, außer dass beide Orte jedes Jahr Austragungsort eines Großevents sind. Während sich in Nordholz einige der angesagtesten und bekanntesten Musikbands auf dem Deichbrand Festival zusammenfinden, begrüßt Düsseldorf zum Ende August das Who is Who der Campingszene auf der Caravan Salon Messe.
Letztes Jahr überredete ich Britta, mit mir zusammen auf das Deichbrand Festival zu gehen. Sie war zuvor noch nie auf einem Rockfestival gewesen. Als jahrelanger Festivalgänger wollte ich ihr diese Erfahrung gerne einmal näherbringen. Sagen wir es mal so, meine Liebe zu lauter Musik unter freiem Himmel hat sie nicht so geteilt – bzw. vielleicht war es auch nicht unbedingt die Musik, sondern eher das drumherum. Ok, auch ich muss zugeben, dass ich Festivals früher irgendwie auch geiler fand bzw. sie besser überstanden habe.
Auch auf der Caravan Salon war Britta noch nie zu vor, für mich wiederum war es dieses Jahr schon das dritte Mal. Ich versprach Ihr eine interessante Messe bei der es viel zu sehen gäbe. Gecampt hatte ich allerdings auch noch nicht zuvor dort, aber was sollte daran auch schon spannend sein? Ist dort ja quasi mehr Mittel zum Zweck.
Camping Idylle unter der Einflugsschneise
Als wir am Montagabend vom Platzeinweiser auf unserem Stellplatz auf P1, Feld 6, Reihe 30 eingewiesen werden sind wir guter Dinge. Die vierstündige Anfahrt mit unserem Kleinen verlief eigentlich reibungslos. Dazu beschert uns das Wetter einen herrlichen, lauen Sommerabend mit angenehmen 20 Grad. So geht die Elternzeit gut los, denke ich mir. Ich stelle den Motor ab und will mich gerade in den hinteren Teil unseres Kastens begeben als ich plötzlich von ohrenbetäubendem Turbinenlärm in den Sitz gedrückt werde. Was war denn das? Doch nicht etwa…? Doch! Der P1 der Messe Düsseldorf liegt tatsächlich direkt unter der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens. Die Flieger starten und landen hier im Minutentakt und sind in Ihren Landeanflügen teilweise keine 300m mehr vom Boden entfernt.
Was für eine traumhafte Camping Idylle für die kommenden zwei Nächte. Wie soll das mit Kind klappen? Wir entschließen uns trotzdem zu bleiben. Nicht weil der Platz bereits bezahlt ist, sondern vielmehr da unser Sprinter keine grüne Plakette hat. Ausweichen auf einen anderen Parkplatz in Messenähe könnte in der Umweltzonenstadt Düsseldorf evtl. ein sehr teures Unterfangen werden. Der Messeparkplatz liegt wiederum außerhalb der Umweltzone, daher bleiben uns nicht viele Alternativen.
Wir richten uns erst einmal, wie immer, mit unseren Stühlen vor der Seitentür ein. Zwei große Spieledecken auf dem Boden ausgebreitet für den Wurm. Nach der langen Fahrt ist er voller Tatendrang. Ich blicke nach links und rechts und stelle fest, daß unser Kasten ein einsamer Fisch in einem Meer von Plastik-Weißware ist. Teilintegrierte und Alkoven Wohnmobile soweit das Auge reicht. Die Leute wiederum sind alle mehr als freundlich. Jeder grüßt und nickt, wir bekommen Trauben aus eigener Ernte geschenkt. Fast wie auf dem Dorf wo ich aufgewachsen bin. Unser Kleiner flirtet wie immer jeden der vorbeilaufenden Menschen an. Diese bleiben stehen und flirten zurück. Bingo! Er verschafft uns jede Menge Sympathiepunkte in Reihe 30. Die Nachbarn sitzen mit ihrem Hund und ihren zwei Katzen ebenfalls vor dem Mobil. Gut erzogen die Katzen, denke ich mir. Schleichen brav im 5m Radius ums Wohnmobil. Dann sehe ich jedoch den Grund dafür. Sie tragen eine Leine. Hmm. Katzen an der Leine? Naja, jeder so wie er mag.
„Düsseldorf, wo sind die Hände? Hey, hey, hey…“ schallt es über den Platz. Was ist denn das jetzt? Doch nicht etwa…? Oh doch! Auf dem Festzelt des nur 500m entfernt gelegenen Caravan Centers startet gerade der bayerische Abend mit den ‘Original Schluchtenkrachern‘. Ich glaub ich brech` ab. Das müssen wir uns erstmal ansehen. Wir packen den Kleinen in seine Karre und schieben vor zum Center. Auf dem Gelände herrscht ein munteres Treiben. Gut gefüllte Bierstände flankiert von Essbuden mit feinstem, gut bürgerlichen Fastfood Angebot. Vom Spießbraten mit Weißkraut Salat über Frikadelle im Brötchen bis hin zur klassischen Curry-Wurst und Mayonnaise in Kartoffelsalat, mehr Fett geht nicht. Deutschland in Reinkultur. Viele der Besucher scheinen sich zu kennen. Sie grüßen sich, erzählen Geschichten von Ihren Touren, es wird viel gelacht und auf die Schenkel geklopft. Wahnsinn, denke ich mir und ziehe Parallelen. Was dem Musikfan sein Deichbrand Festival ist dem Wohnmobilisten die Caravan Salon. Aber gut, jeder hat ein Recht auf Eskalation.
„Kennst du die Perle, die Perle Tirols“. Die Original Schluchtenkracher wagen sich jetzt über die Bayerische Landesgrenze hinweg und betreten österreichisches Aprés Ski Gefilde. Zeit für uns zu gehen. Wir schlendern über den Parkplatz vorbei an Mobilen deren Vorplätze mit Blumentöpfen dekoriert sind. Ich glaube die meinen das ernst.
Weiter geht es, entlang einer Armada von Satellitenschüsseln auf weißen Dächern. Aus den offen stehenden Türen der Mobile ertönt die vertraute Musik der Tagesschau. Und anschließend schon wieder eine Begegnung der besonderen Art. Ich sehe ein Pärchen die mit Ihren Hunden Gassi gehen. Die Frau schiebt ein Trolley vor sich her. Aber moment, dass ist kein gewöhnlicher Trolley wie wir ihn für unseren Kleinen haben. Nein, es ist, tatsächlich! Ein Trolley für Hunde. Kein Witz!! Ich kann mir ein Lachen nun nicht mehr verkneifen. Es wird wirklich immer besser. Ist das hier noch Deutschland oder schon Amerika?
Zu guter Letzt bleibe ich dann noch an einem fast 10m langen Luxus-Mobil stehen dessen Heck ein Spruch ziert, der für mich an Ironie kaum zu übertreffen ist.
Camper Kulturschock auf der Caravan Salon
Zurück am Sprinter bringen wir unseren Löwen ins Bett. Zum Glück ist auf Ihn Verlass und der Fluglärm lässt Ihn völlig kalt. Innerhalb weniger Minuten schläft er wie ein Stein und wir können noch ein kleines Kaltgetränk vor dem Sprinter einnehmen. „Hmm“ sagt Britta zu mir. „Irgendwie versteh ich jetzt warum wir bislang nie ein Wohnmobil gekauft haben. Das ist doch nochmal eine andere Kultur“.
Ja, da hat sie recht. Wir kommen beide vom VW Bus. Irgendwann sollte es etwas mehr Platz für uns beide sein und der Sprinter erschien der richtige Schritt. Doch nach der Geburt haben auch wir langsam damit begonnen, uns Wohnmobile anzuschauen. Es dämmert auch uns die Erkenntnis, daß es platztechnisch in den nächsten Jahren auf unseren 5,40m immer mehr Herausforderungen zu bewältigen geben wird. Daher sind wir prinzipiell nicht abgeneigt, für eine gewisse Zeit zweckmäßig zu denken und auf einen Plastikbomber umzusteigen. Um ehrlich zu sein sind wir deswegen auch auf der Messe. Was uns bislang immer unbegreiflich war, war warum scheinbar auch in 2017 bei vielen Wohnmobilherstellern noch immer Kirschholz-Optik mit Weissleder ganz hoch im Kurs steht? Nach dem heutigen Abend verstehen wir beide es aber. Ganz einfach, weil die Zielgruppe dafür einfach da ist! Unsere Surfer-Clique, die langsam aber sicher auf Plastik umsteigt, scheint offensichtlich nicht der Massstab zu sein.
Ich dachte zwar, daß seit einiger Zeit die junge Szene nachrücken und einen Wandel bringen würde. Täglich begegne ich in den sozialen Kanälen neuen Posts der #Vanlife-Generation. Traumhafte Bilder und neue coole Stories von selbstausgebauten amerikanischen Schulbussen oder alten Feuerwehrautos haben bei uns den Eindruck hinterlassen, daß eine neue Form des minimalistischen Campens Überhand gewinnen würde. Heute auf dem P1 wurden wir ganz klar eines Besseren belehrt. Der Vanlife-Trend ist, wenn überhaupt, lediglich ein kleiner Kreis von Revoluzzern. Hier und heute in Düsseldorf tagt das Establishment.
„Sierra. Sierra Madre del Sur“ dröhnt es vom Festzelt durch die Nacht. Prost! Treffender als die Schluchtenkracher kann auch ich den Abend nicht beschließen. Ich nehme den letzten Schluck aus meiner Flasche und lege mich zu meiner Familie in unseren Dicken.